Das Problem mit dem Ver­fas­sungs­schutz

Dem Namen nach ist der Ver­fas­sungs­schutz ersteinmal ei­ne gute und nützliche Einrichtung. Er dient dem Schutz der De­mo­kra­tie und der Spionageabwehr und darf Methoden, Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Infor­mations­be­schaf­fung anwenden. Deshalb kann er durchaus umgangs­sprach­lich als Ge­heim­dienst be­zeich­net wer­den. Wie sind aber die „Erkenntnisse“ dieser Behörde zu bewerten?
Dazu muß man wissen, daß der Ver­fas­sungs­schutz kei­nesfalls ei­ne un­ab­hän­gige Behörde ist. Das Bundesamt für Ver­fas­sungs­schutz (BfV) untersteht direkt dem Bun­des­innen­mi­ni­sterium. Die Lan­des­äm­ter für Ver­fas­sungs­schutz (LfV) hingegen sind wieder ei­gen­stän­dige Behörden, welche nicht dem BfV sondern den In­nen­mi­ni­ste­rien der jeweiligen Bun­des­län­der unterstehen. Insofern kann auch von po­li­tisch motivierten Einflußnahmen der jeweiligen Bundes- oder Landesregierungen ausgegangen wer­den. Deshalb sind auch einige s.g. Erkenntnisse des Ver­fas­sungs­schutz als po­li­tisch motiviert anzusehen und somit in Frage zu stellen.
Als Beispiel dafür kann der Umgang des Ver­fas­sungs­schutz mit der Partei "Die Linke" und deren Mitgliedern gesehen wer­den. Zitat Wikipedia
Im Ver­fas­sungs­schutzbericht für das Jahr 2006 sah das BfV An­halts­punkte für ver­fas­sungs­feind­liche Bestrebungen der damaligen Links­par­tei. ... Eine Fortsetzung der Be­ob­ach­tung wurde im Mai 2008 durch Bun­des­innen­mi­ni­ster Wolfgang Schäuble angeordnet.
Und wie sah es in den Ländern aus? „Die Innenminister der Bun­des­län­der Hessen, Nie­der­sach­sen, Baden-Württemberg und Bayern lassen „Die Linke“ zumindest teilweise durch den Ver­fas­sungs­schutz beobachten. ... Der nie­der­säch­sische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ordnete im Juli 2008 in sei­nem Land ei­ne verstärkte Be­ob­ach­tung der Partei an, ... Nach dem Re­gie­rungs­wech­sel in Nie­der­sach­sen (2013) erklärten SPD und Grüne in ihrer Koalitionsvereinbarung unter dem Punkt „Neustart des Ver­fas­sungs­schutzes“: „Die rot-grüne Koalition wird […] die parteitaktisch motivierte Be­ob­ach­tung der Gesamtpartei ‚Die Linke‘ […] beenden ...
Aber auch die Be­ob­ach­tung von einzelnen Mitgliedern „Der Linken“ wurde weitergeführt. So beobachtet das LfV Nie­der­sach­sen sechs Jahre zwei Mitglieder der Linken in Nie­der­sach­sen. Sie sind aktive Mitglieder der Links­par­tei und machten das, was Politiker machen: sie nahmen an Versammlungen teil, kan­di­dierten bei Wahlen usw. Zitat TAZ vom 20.01.22: „Das allein genügte anschei­nend der nie­der­säch­sischen Ver­fas­sungs­schutz­be­hör­de (VS), um sie sechs Jahre lang unter Be­ob­ach­tung zu stellen.“ Im Frühjahr 2021 erhielten sie Post vom LfV. Darin wurde ihnen mitgeteilt, daß über sie ei­ne "Infor­mations­be­schaf­fung mit nach­rich­ten­dienst­lichen Mitteln" erfolgt sei und diese nun abgeschlossen ist. Am 10. April 2021 wollten die Betroffenen Auskunft darüber haben, warum sie beobachtet wurden. Fast neun Monate später erhielten Sie Antwort. Über das Wann und Wie erhielten sie kei­ne Auskünfte, offenbar waren auch V-Leute im Einsatz, und das Warum: „Als einzigen "tatsächlichen An­halts­punkt" hierfür nennt der VS in sei­nem Antwortschreiben jedoch parteipo­li­tisches Engagement.
Also der Ver­fas­sungs­schutz dient auch po­li­tisch und parteitaktisch motivierten Aktionen, mit dem Ziel, ei­nen po­li­tischen Gegner zu dis­kre­di­tie­ren oder ins Abseits zu stellen. Anstatt sich mit ihm po­li­tisch auseinander zu setzen, sich zu fragen, warum hat ein po­li­tischer Gegner diesen Zulauf und wo waren die eigenen Fehler, ist es offenbar leichter, den Ver­fas­sungs­schutz zu miß­brau­chen und nicht die eigenen Fehler zu beheben. Das heißt natürlich nicht, das die Erkenntnisse des Ver­fas­sungs­schutzes falsch sein müs­sen, aber sie haben eben den faden Beigeschmack, daß sie voll­stän­dig oder teilweise po­li­tisch motiviert sein könnten.
Das ist schon immer ein untaugliches Mittel gewesen und hat noch nie funktioniert. Auch in den 80-er Jahren hat das gegen die Grünen nicht funktioniert. Nicht uner­wähnt bleiben darf m.M.n., daß 2013 das
BVG
Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt
entschieden hat, dass die Be­ob­ach­tung von
Bodo Ramelow
seit 2014 Ministerpräsident von Thüringen
ver­fas­sungs­widrig gewesen ist. Nur noch einmal zum Mitschreiben:

Der Ver­fas­sungs­schutz hat ver­fas­sungs­widrig
ge­han­delt!

Wenn es also in Berichten des Ver­fas­sungs­schutz um andere Parteien geht, braucht man manch­mal nur zu schauen, welche Parteien garade im Bund und den Ländern regieren und evtl. den Verfassungschutz po­li­tisch oder parteitaktisch instru­men­ta­li­sieren. Die häufig dafür benutzten Begriffe wie "Erhaltung von Freiheit und De­mo­kra­tie" sind nur Schein­ar­gu­men­te und kön­nen eher po­pu­li­stisch und demagogisch genannt wer­den.
Aber es wird immer wieder praktiziert und selbst ehemals davon Betroffene rufen dann, wenn sie an der Macht sind, nach dem Ver­fas­sungs­schutz und stellen dessen Berichte als allein seelig machende Weisheit hin. In den 80-ern waren die Grünen betroffen, in den 2000/2010-ern Die Linke und heute die AfD.
Nur um das klar zu stellen: Ich bin gegen jede Art von Extremismus und Gewalt, völlig egal, ob es Rechts­ex­tre­mis­mus, Links­ex­tre­mis­mus, Klima­ex­tre­mis­mus oder sonst ein Extremismus ist. Extremismus hat noch nie Probleme gelöst, sondern nur zu mehr Gewalt geführt. Der Kampf gegen Extremismus und Ver­fas­sungs­feind­lich­keit ist richtig, aber bitte im Rahmen der Verfassung. Wenn man jedoch selbst gegen die Verfassung verstößt, macht man sich nicht nur unglaubwürdig, sondern man protegiert am Ende genau das, was man eigentlich zu bekämpfen vorgibt.
Ich wünsche mir, daß endlich auch die Parteien, die sich selbst de­mo­kra­tisch nennen, tatsächlich de­mo­kra­tisch han­deln und Par­tei­tak­tik weglassen. Am Besten wäre ein völliger Neuanfang des Ver­fas­sungs­schutzes und ein Umbau zu ei­ner wirklich un­ab­hän­gigen Behörde, welche wei­sungs­mäßig kei­nen Mini­ste­rien untersteht, sondern aus­schließ­lich der parlamentarischen Kontrolle unterliegt.

veröffentlicht am: 25.01.24
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